Reisebericht: Ost–Indien–Welterbestätten in Bengalen und Mangrovenwälder des Ganges

18.02. – 29.02.2016, 12 Tage Indien–Rundreise mit Kalkutta – Udayagiri – Bhubaneshwar – Puri – Konark – Ganges–Delta – Sundarbans


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Von Kolkata zu den Tempeln von Bhubaneswar, den Heiligtümern von Ratnagiri und Udayagiri über den Sonnentempel von Konark nach Puri und zum Chilika-See. Bootstour in den Mangrovenwäldern der Sundarbans im Gangesdelta, Tierbeobachtung im Tigercamp.
Eine ebenso spannende wie exotische Reise, die an Vielseitigkeit kaum zu überbieten ist, hatten wir in unserer Ausschreibung dieser Tour nach Ostindien versprochen - und ich glaube, wir konnten unser Wort halten!
Zahllose Tempelbauten mit besonderen Stilmerkmalen, getragen von harmonischer Eleganz und unglaublich phantasievoll verziert mit Ornamenten, Götterskulpturen, Reliefs mit Szenen aus dem täglichen Leben oder gar erotischen Motiven beeindrucken den Besucher. Manche davon sind den Hindus in Glauben und Tradition so heilig, dass nur streng Gläubige sie betreten dürfen und Nicht-Hindus vom Besuch ausgeschlossen werden. Dennoch ziehen sie bereits von ihrem äußeren Eindruck her jeden in ihren Bann und symbolisieren, wie die Menschen den Göttern ihren Tribut zollen...
Historische Städte, heilige Orte - nicht wenige davon mit überregionaler Bedeutung oder gar zum Weltkulturerbe gehörend - haben wir während unserer Fahrt durch Westbengalen und Odisha kennengelernt, ebenso aber am täglichen Leben teilhaben können und einen tiefen Einblick ins „wirkliche Indien" gewonnen. Wäre der Slogan nicht schon belegt, hätten wir jetzt mit „mittendrin statt nur dabei" operieren können.
Auch mit Naturerlebnissen ganz besonderer Art im letzten Teil unserer Ostindien-Reise konnten wir aufwarten. Vor der beeindruckenden Kulisse des Gangesdeltas, dem größten Flussdelta der Erde folgte unsere Bootstour den Flussläufen und Kanälen durch die Sundarbans, den ausgedehntesten Mangrovenwald der Welt. Das UNESCO-Weltnaturerbe, das sein Erscheinungsbild fast stündlich ändert, dem Steigen und Fallen der Gezeiten der Bucht von Bengalen angepasst, beherbergt eine einzigartige Pflanzen- und Tierwelt...
Aber bevor ich weiter ganz im Allgemeinen schwärme - folgen Sie mir doch einfach auf unsere Tour, die mit einem Emirates-Flug tausende Kilometer von Frankfurt nach Südosten begann und der meine Mitreisenden und mich in eine andere Welt entführte...
Ein Reisebericht von
Dr. Michael Krause
Dr. Michael Krause

Frankfurt – Dubai – Kolkata – Stadtrundfahrt : erster und zweiter Reisetag, 18. und 19.02.2016:

Mit der recht bequemen Anreisevariante „Zug zum Flug" erreichten wir am späten Vormittag - ohne Zugverspätung oder Bahnstreik - den belebten Frankfurter Flughafen. Hier traf unsere kleine Reisegruppe an den Check in Schaltern der renommierten Fluggesellschaft „Emirates" zusammen. Die bei der arabischen Fluggesellschaft schon recht früh beginnende Abfertigung sorgte dafür, dass sich gar nicht erst lange Staus am Abfertigungsschalter bilden konnten und wir rasch unser schweres Gepäck loswurden - Zeit gewonnen für einen von Großgepäck unbeschwerten Bummel durch den nicht eben kleinen Frankfurter Flughafen und einen von der Reisefirma spendierten Mittagsimbiss.
Später saßen wir dann erwartungsvoll erst im Transitraum und wenig später in der „Emirates"-Maschine, einem recht bequemen Airbus A 380 mit Flugziel Dubai. Bei gutem Service, vielfältigem Filmangebot der Bordunterhaltung erreichten wir nachts nach gutem und ruhigem Flug den Flughafen von Dubai, der größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Es blieb genug Zeit zum Umsteigen und bald ging es weiter in die ostindische Metropole Kolkata.
Pünktlich morgens kurz vor acht Uhr erreichte unsere Maschine den Flughafen der Stadt und nachdem wir die Grenzformalitäten erledigt und unser Gepäck geholt hatten, trafen wir am Ausgang unseren örtlichen Reiseleiter für die nächsten Tage. Wie zahlreiche andere Abholer stand er mit einem Namensschild zwischen dem Ausgang und dem Fahrzeuggewimmel vor dem Flughafen. Wir begrüßten uns und nachdem er unseren Kleinbus herangewinkt hatte und unser Gepäck verstaut war ging es los: wir waren jetzt richtig in Ostindien angekommen und blickten - erstaunt wie die meisten Indien-Besucher - auf das unglaubliche Verkehrsgewimmel, in das wir uns nun hineinstürzten. Niemand weiß genau zu sagen, wie viele Einwohner Kolkata mit seinen zahllosen Vororten hat - aber die offiziell angegebenen knapp fünfzehn Millionen, die es zum drittgrößten Ballungsraum des Landes machen, scheinen selbst Kennern zu tief gegriffen...
Die riesige Stadt, die bis 1911 die Hauptstadt Britisch-Indiens war, ist einer der Hauptverkehrsknotenpunkte im Osten des Subkontinents. Das merkt man sogleich, wenn man den Verkehr beobachtet, der durch viel zu eng scheinenden Straßen pulsiert, die seit britischen Kolonialzeiten nicht erweitert werden konnten, als die Stadt noch Kalkutta hieß und nur ein Fünftel der heutigen Einwohnerzahl hatte.
Unser indischer tourguide, Mr. Shankar, begrüßte uns nochmals herzlich und erzählte ein wenig zum Thema Verkehr und derzeitiger Stadtentwicklung, bevor nach wenigen Minuten die Stadtführerin Bharati zustieg. Während wir uns gleich auf die Stadtrundfahrt machten, erläuterte sie uns Geschichte und Entstehung der Stadt und die Rolle der britischen Kolonial- und Wirtschaftsmacht dabei. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Kali-Tempel Kalighat, den viele auch hinter dem Stadtnamen vermuten. Kolkata, früher Kalkutta, leitet sich vom einstigen Fischerdorf Kalikata her, in dem man die Göttin, die hier bis heute Kalika genannt wird, verehrte. Sie verkörpert die dunkle, zerstörerische Seite der Fruchtbarkeits- und Muttergöttin Devi oder Durga. Dieser Tempel, der die Stadt auch zum bedeutenden Hindu-Wallfahrtsort macht, war unser erstes Ziel heute. Eine Weile dauerte es noch, bevor wir ihn Tempel erreichten. Der Hindu-Mythologie nach ist er auf heilige Boden errichtet worden und daher einer der Orte, wo sich täglich Zehntausende zum verzückten Gebet einfinden. Wie fast immer bei bedeutenden Hindutempeln scharten sich ringsum die Kioske und Verkaufswagen vorwiegend von Händlern für Opfergaben: Blüten, ganze Blumenketten, Obst, Farben und natürlich Geld opfern die Gläubigen im Tempel. Trotz seiner mystischen Verklärung ist das Betreten des Heiligtums auch Nicht-Hindus erlaubt und so hatten wir Gelegenheit, die Inbrunst zu bestaunen, mit der sich hunderte Gläubige vor uns der Verehrung des heiligen Steins, der Kali symbolisiert oder der ebenfalls im Tempel befindlichen Symbole des „Zerstörergottes" Shiva widmeten. Wir hatten genügend Zeit um uns umzusehen und dann außerhalb des Tempels noch etwas durch die Reihen der Marktstände zu bummeln sowie kurz eines der von der Friedensnobelpreisträgerin Mutter Theresa eingerichteten Asylhäuser und Medizinzentren aufzusuchen, bevor wir unsere Rundfahrt fortsetzten.

Victoria Memorial

Diesmal war die St. Pauls-Kathedrale unser Ziel. Die am Rand des Maidan-Parks 1847 errichtete anglikanische Kirche verfügt über ein ungewöhnliches Dach aus Eisenträgern, das zur damaligen Zeit mit 75 x 24 Metern das weltweit längste seiner Art war. Ungewöhnlich sind die unteren Spitzbogenfenster bis zum Fußboden - sie dienen aber vor allem der besseren Belüftung. Prunkstück der Kathedrale ist ein Buntglasfenster, im Jahre 1880 zu Ehren des verstorbenen britischen Generalgouverneurs Lord Mayo entworfen. Der erste Kirchturm wurde bei einem Erdbeben zerstört und der heutige kommt einem seltsam bekannt vor - kein Wunder, denn beim Turm-Neubau 1934 stand der Glockenturm der Kathedrale des südenglischen Canterbury Modell.
Während der Bus an der Kirche im Schatten parken konnte, liefen wir ein Stück durch den Maidan Park, an dem einst auch das englische Fort William stand, zur wohl bekanntesten Sehenswürdigkeit Kolkatas. Das „Victoria Memorial" ist ein gewaltiges, von gepflegten Gärten umgebendes Gebäude, in dem sich heute Museen bzw. Kunstgalerien befinden. Auf Vorschlag des damaligen Vizekönigs von Indien, Lord Curzon, wurde es nach dem Tod von Königin Victoria 1901 in weißem Makrana-Marmor aus Rajasthan - aus dem auch das Taj Mahal besteht - nach einem Entwurf des englischen Architekten William Emerson bis 1921 errichtet. Es war für uns ein wenig anstrengend, das gewaltige Gebäude zu umrunden, denn wir mussten uns erst an die indischen Temperaturen gewöhnen. Aus dem doch recht kalten Deutschland kommend, bewegten wir uns hier heute bei knapp 40 °C - für Februar auch für Ostindien ungewöhnlich warm.
Später fuhren wir mit dem Bus über eines der Wahrzeichen Kalkuttas, die Howrah-Brücke, die täglich von zehntausenden Fahrzeugen und Millionen von Pendlern benutzt wird und die daher als verkehrsreichste Brücke der Welt gilt. Die 670 m lange Stahlkonstruktion überquert hier den Fluss Hugli in einer einzigen Spanne von fast 460 m und gilt dadurch auch als eine der größten Auslegerbrücken der Welt. Später ging es noch ins alte Zentrum Kolkatas mit zahlreichen Bauten, wo wir bei einem kleinen Bummel auch einen Blick auf das Government House zu werfen. Der im 18. Jh. erbaute Palast mit griechisch anmutender Säulenvorhalle war bis 1911 Sitz der britischen Vizekönige. Heute ist er der offizielle Sitz des Gouverneurs des Bundesstaates Westbengalen, dessen Hauptstadt Kolkata heutzutage ist.
Danach fuhren wir zu unserem komfortablen Hotel, um nach dem Check erst einmal eine Dusche zu nehmen und später zu Abend zu essen. Nach dem Abendessen sanken wir nach einem langen Tag in wohlverdienten Schlummer.

Kolkata – Digha – Shankarpur – Balasore: dritter Reisetag, 20.02. 16:

Gleich nach Frühstück waren wir auch schon auf dem Weg nach Süden. Fast den ganzen Tag würden wir fahren müssen bis zum Tagesziel Baleswar (Balasore), aber Zeit genug für ein paar ausgiebige Fotostopps war schon. So hielten wir an verschiedenen interessanten Stellen - z.B. einem weitläufigen Straßenmarkt, auf dem neben Obst und Gemüse vor allem mit Schilfmatten und Schilf und Stroh zum Dachdenken gehandelt wurde.
Wir fuhren fast den ganzen Tag durch Reisefelder, die zum Teil gerade abgeerntet, teilweise aber auch frisch bestellt waren und in saftigem Hellgrün erstrahlten. Auch eine Reismühle konnten wir bei einem Fotostopp sehen, bevor wir am Nachmittag den Badeort Digha erreichten. Trotz der guten Sandstrände - die bei Ebbe mehrere Kilometer breit sind - gibt es hier keinerlei ausländische Touristen. Digha mit seinen vielen Hotels und Gästehäusern wird fast nur von Indern genutzt, die ihre Ferien am Golf von Bengalen verbringen wollen. Ein paar kleine Verkaufsbuden und Stände in Strandnähe oder direkt auf dem Sand sorgen für Erfrischungen, für das Vergnügen - vor allem der Kinder - warten buntgeschmückte Pferde und Kamele auf Reitlustige.

Shankarpur

Nicht allzuweit war es von hier zu dem berühmtesten der Shankarpur-Tempel. Das Heiligtum von Chandaneswar ist dem Gott Shiva geweiht und lockt jedes Jahr zahlreiche Pilger an. Auch hier begnete uns wieder die tiefe Gläubigkeit und Hingabe der Hindus, die oft weite Wege auf sich nehmen, um an einem solchen Platz beten und opfern zu können. Nachdem wir die Schuhe ausgezogen hatten, konnten wir in den Tempel hinein, Gebete und Opferzeremonien beobachten und auch die zum Teil auf das 13. Jh. zurückgehenden Bauwerke fotografieren. Der Chandaneswar-Tempel unterscheidet sich von seiner Form und Gestaltung als offene Säulenhalle her stark von den anderen Hindutempeln - sowohl in Nord- als auch in Südindien, auch wenn die Gestaltung der Bethallen als Kuppeln bzw.- Tempeltürme die Grundidee des „heiligen Berges" erkennen lassen. Aber der Aufbau wie eine buddhistische Stupa, die Verwendung zahlreicher Ziertürmchen und die Bemalung weiß und relativ wenig Ornamentik sind ungewöhnlich für einen Sakralbau auch in dieser Gegend Indiens.
Der Tempel lag fast an der Grenze und nach wenigen Kilometern hatten wir Westbengalen verlassen. Abends erreichten wir die Großstadt Balasore, einen der größten Orte des auf Industrie orientierten Bundesstaates Odisha, in dem wir uns nun befanden. Erst vor wenigen Jahren wurde der bis dahin als „Orissa" bekannte Teil der indischen Union in diesen Namen umbenannt. Wir checkten ein in ein Hotel der staatlichen Tourismusorganisation, mitten in der Stadt und hatten noch etwas freie Zeit, bevor wir den Tag mit einem abwechslungsreichen Abendessen beschlossen.

Balasore – Lalithgiri – Udaigiri – Ratnagiri – Bhubaneswar: vierter Reisetag, 21.02.16:

Eine längere Fahrt brachte uns nach dem Frühstück quer durch den Bundesstaat Odisha in die vom ausgedehnten Flußdelta des Mahanadi und seiner Nebenflüsse gebildeten und bestimmten Landschaft. Der größte Fluss Odishas entspringt im benachbarten Bundesstaat Chhattisgarh und ist mit seinen 885 km etwa so lang wie die Oder. Sein Mittel- und Unterlauf sowie sein wasserreiches Delta bilden gute Bedingungen für den Reisanbau. Wie schon am Vortag waren Reisfelder dominierender Anblick und man kann verstehen, warum die Inder diese Gegend - neben anderen Anbaugebieten in anderen Regionen als „Reisschüssel" bezeichnen.
Unser heutiges Ziel war die Besichtigung der faszinierenden frühbuddhistischen Tempelkomplexe zwischen den Städten Chandikhole und Kendrapara. Als erstes interessierten uns die Überreste des aus Backstein errichteten buddhistischen Klosters von Lalitgiri, das ununterbrochen vom 3. Jh. v.Chr bis zum 10. Jh. nach Chr. Kloster und Lehrstätte für buddhistische Mönche war. Hier gab es mehrere Klosternlagen, die sich um ein gemeinsames Zentrum gruppierten - alle als Wohn- und Unterrichtsstätten für Mönche angelegt. Grundmauern der Gebäude - Schul- und Wohnbauten - und auch die Sockel mehrerer Stupas sind erhalten. Lalitgiri wurde gleich nachdem der berühmte Kaiser Ashoka zum Buddhismus übergetreten war, in großem Stil auf- und ausgebaut und war über viele Jahrhunderte aktiv.

Udaigiri

Unweit von hier lag Udaigiri, zu dessen gut erhaltenen Überresten wir bei ziemlicher Wärme durch ein Wäldchen zum Hügel liefen. Der Komplex gilt als größtes frühbuddhistisches Kloster Odishas und bildet mit Lalitgiri - was wir schon gesehen hatten - und dem noch zu besichtigen Ratnagiri das sogenannte „diamantene Dreieck", das hervorragendste Zentrum buddhistischer Gelehrsamkeit in Ostindien. Der große Stupa ist weithin sichtbar und bis auf etwa 10 m Höhe erhalten. Dahinter erwarteten uns die Grundmauern eines der zum Komplex gehörenden Wohn- und Lehrklöster, die in der altindischen Sanskrit-Sprache „viharas" genannt werden. Herrlich mit Steinmetzarbeiten und filigraner Reliefkunst verzierte Torbögen belohnten unseren leicht verschwitzten Anmarsch. Der einst „Madhavapura Mahavira" genannte Klosterkomplex hatte wirklich einiges zu bieten! Dazu gehörte auch ein interessanter uralter Treppenbrunnen, den man hier in den Felsen gehauen hatte - um die Wasserversorgung zu sichern, vor allem aber, um genug Wasser für die Zeremonien und rituellen Waschungen vorrätig zu haben. Ein für diese Gegend ungewöhnliches Objekt - schließlich sind Treppenbrunnen sonst - wenn auch in etwas anderer Anlage und im Gegensatz zu dem von Udaigiri unglaublich prächtig verziert - eher typisch für das tausende Kilometer westlich gelegene Bundesland Gujarat.
Wir fuhren weiter nach Ratnagiri, wo wir uns zunächst eine Mittagspause gönnten. Erholt und gestärkt suchten wir danach das recht neue, modern und interessant gestaltete archäologische Musseum auf, in dem Funde aus allen drei Klosteranlagen des „diamantenen Dreiecks" ausgestellt sind. Es überwiegen Darstellungen des meditierenden, lehrenden oder friedensstiftenden Buddha, wobei augenfällig ist, welch großer Wert auf genaue Darstellung der berühmten „Mudras", der verschiedenen symbolischen Handhaltungen Buddhas gelegt wird.
Neben dem Museum auf einem Hügel liegt auch der jüngste Kloster-Komplex des Dreiecks mit vielen Stupa-Grundmauern und verschiedenen Gebäuderesten. Besonders auffällig ist die hier auf den Grundmauern aufgebaute Sammlung von Votivstupas - kleinen beweglichen Steinmonumenten in Stupaform, die man als Bitt- oder Dankgaben dem Kloster spendete und die von der tiefen Gläubigkeit der Bewohner Odishas während der Erbauungs- und Blütezeit der alten Klöster zeugen.
Auf dem Weg zu unserem heutigen Ziel, der Bundeshauptstadt von Odisha, konnten wir noch an einer Steinmetzwerkstatt stoppen und zusehen, wie gerade zwei Löwenfiguren bearbeitet wurden, die später den Eingang zu einer der Klosteranlagen zieren sollen. Am frühen Abend erreichten wir dann die Stadt der Tempel, Bhubaneswar. Die etwas weniger als ein Million Einwohner zählende Metropole ist die Hauptstadt von Odisha. Unser Abendessen und die Übernachtung hatten wir im komfortablen, renommierten Crown-Hotel.

Höhlenkloster Udayagiri – Tempel von Bhubaneswar – Dhauli–Inschrift: fünfter Reisetag, 22.02. 16:

Wir starteten den heutigen Tag mit einem Besuch des faszinierenden Hindu- bzw. Jain-Höhlenklosterkomplexes von Udayagiri und Kandhagiri, das mit seinen in den Felsen gehauenen Mönchszellen und Figuren, oft Tempelwächtern, zu den ältesten Höhlenklöstern Indiens gehört. Genau wie die berühmten Shiva-Tempel von Bhubaneswar sind auch diese Höhlenheiligtümer - die man nicht mit den nahezu gleichnamigen 90 km entfernten buddhistischen Klöstern (die wir am Vortag besucht hatten!) verwechseln sollte - bedeutende Pilgerziele für Hunderttausende Gläubige jedes Jahr. Die 33 aus dem harten Fels geschlagenen Zellen gehörten zur Jain-Religion. Viele von ihnen sind - zumindest teilweise - mit ebenfalls aus dem anstehenden Fels gearbeiteten Skulpturenschmuck verziert. Im Gegensatz zu den buddhistischen Heiligtümern und Höhlenklöstern, deren Anlage und Konzeption auf der Grundidee mönchischen Zusammenlebens und einer „Klostergemeinschaft" beruhen, ist diese frühe Anlage der Jain-Religion für asketisch und einzeln lebende Mönche, die nicht unbedingt die Gemeinschaft suchen, entstanden. So besteht Udayagiri vorwiegend aus Einzelzellen - mit abschüssigem Felsenboden, da die Asketen grundsätzlich auf nacktem Fels schliefen - und enthält kaum tiefe Vorhallen oder Gebetsräume für gemeinsame rituelle Handlungen. Für die Tatsache der Entstehung dieser Höhlenheiligtümer in der Frühzeit der Jainreligion sprechen nicht nur die - teilweise bereits verwitterte - relativ grobe Ausführung der Skulpturen, sondern auch die Motive und Inhalte der Felsenplastiken. Während in späteren Jain-Tempeln vor allem Heiligenskulpturen der Jain-Verehrung - die geistigen Führer der Jains, die sogenannten Tirthankaras - dargestellt werden, findet man hier in Udayagiri und Khandagiri gar keine davon. Dafür sind die Motive, die man hier sehen kann, typisch für die Frühzeit, noch bevor sich der Kult und die Kunst der figürlichen Darstellung verehrter Personen entwickelte: lediglich Tempelwächter, Elefantendarstellungen, Blumenkränze oder Darstellungen von Prozessionen.
Wir waren zu einer besonderen Zeit hier an diesem heiligen Ort - die jährliche Wallfahrtssaison war gerade auf ihrem Höhepunkt, was die Vielzahl von Besuchern im Heiligtum erklärte. Europäer kommen wohl sehr selten hierher, aber für die vielen indischen Besucher hatte sich für die Wallfahrtswoche ein Straßenmarkt etabliert, in dem auffällig viele Haushaltsgeräte angeboten wurden. Des Rätsels Lösung: Durch die Nähe zu den heiligen Städten sind die hier verkauften Geräte gesegnet - für jeden gläubigen Hindu ein Grund, sich genau hier mit Hackmessern, Gemüseschneidern oder Kokusnuss-Schabern einzudecken! Nach etwas Freizeit auf dem „Wallfahrtsmarkt" fuhren wir weiter zu den in Bhubaneswar gelegenen Tempeln.

Tempel von Bhubaneswar

Erster Stopp war am derzeit größten Heiligtum der für ihre zahlreichen Tempel- und Opferplätze bekannten Hauptstadt Odishas. Den sehr belebten und aktiven Lingaraj-Tempel von riesigen Ausmaßen dürfen Nicht-Hindus nicht betreten, aber wir fanden einen Aussichtspunkt, um die geschäftige Tempelanlage gut zu überblicken.
Dann ging es weiter auf eine regelrechte Tempeltour, während der man Architekturstudien über die Weiterentwicklung von Tempelformen und Schmuckfriesen betreiben konnte.
Der Parasuramesvara-Tempel ist einer der ältesten der Umgebung und entstand wohl im 7. Jh. Er ist einer wiedergeborenen Gestalt des Bewahrer-Gottes Vishnu geweiht, der als kämpferischer Brahmane auftrat und den Zerstörer Shiva verehrte. Der typische parabelförmige Tempelturm auf quadratischem Grundriss und die zugehörige Gebetshalle sind mit architektonischem Außenschmuck übersät.
Unweit von hier ragen die Türme und Gebetshallen des Muktesvara- und des Siddhesvara-Tempels aus dem 10. bzw. 11. Jh. n.Chr. in den Himmel. Noch präziser und filigraner als beim Gotteshaus zuvor wirken die Ornamentik und der Außenschmuck und obwohl es eigentlich wuchtige Bauten aus rotem Sandstein sind, wirken sie leicht und ihre Dächer wie schwebend - insbesondere die „Amalaka" genannten kissenförmigen Ringsteine, die - meist zusammen mit dem „Kalasha" genannten vasenförmigen Aufsatz - den oberen Abschluss indischer Tempeltürme bilden. Der Muktesvara-Tempel ist zudem noch von einer zinnenbekrönten und mit Architekturschmuck versehenen Mauer umschlossen und besitz einen reichverzierten, vorgelagerten Torbau, der für die Tempelarchitektur dieser Gegend einzigartig ist.
Zum Abschluss besuchten wir noch den inzwischen nicht mehr aktiven Rajarani-Tempel. Er besitzt keine Götterstatuen mehr, beherbergte aber wohl ursprünglich das Phallus-Symbol Lingam und war folglich dem Gott Shiva geweiht. Der aus dem 11. oder 12. Jh. n.Chr. stammende Tempel gilt als einer der schönsten und vollendetsten seiner Art in Odisha.

Felsedikt des Ashoka

Unsere Tempeltour fand ein Ende, als wir am späteren Nachmittag noch ein Stück aus Bhubaneswar hinausfuhren, um die Dhauli-Hügel zu erreichen. Der Legende nach hat hier über der Flussniederung eine verheerende Schlacht stattgefunden, in der der siegreiche Kaiser Ashoka aus der Maurya-Dynastie das Heer des Königreiches Kalinga abgeschlachtet hat. Hier auf dem Hügel sitzend, soll ihm, eine Rede Buddhas im Ohr, das Abscheuliche des Krieges und des Tötens zu Bewußtsein gekommen sein. Ashoka trat zum Buddhismus über und machte ihn in seinem Reich zur Staatsreligion. Seine Entschlüsse und seine neu zu Bewußtsein gekommene soziale Verantwortung legte er in einem Edikt nieder, das hier als Inschrift in den Felsen gegraben wurde. Seit man diese 1837 entdeckte und bald darauf entzifferte und übersetzte, erfreut sie sich als Felsedikt des Ashoka von Dhauli oder „Kalinga-Edikt" großer Berühmtheit. Wir hatten sogar Gelegenheit, die Inschrift direkt von der Felsenwand zu fotografieren, denn ein freundlicher Wächter schloss uns den seit einigen Jahren zum Schutz vorgelagerten verglasten und mit Metallgittern versehenen Betonbau auf.
Da wir kurz den Raum betreten durften, hatten wir die 2300 Jahre alte Inschrift für Foto und Video direkt vor uns.
Oberhalb des Ashoka-Edikts befindet sich eine der ältesten Elefantenskulpturen Indiens. Der nur halb aus dem Felsen herausgearbeitete, schön ausgeführte Elefant symbolisiert entweder die Lebens-Legende Buddhas oder dient - als den Königen vorbehaltenes Tier - zur Unterstreichung der Hoheit und Bedeutung der unter ihm liegenden Felseninschrift.
Von den Dhauli-Hügeln kehrten wir zu Abendessen und Übernachtung ins Hotel zurück.

Bhubaneswar – Sonnentempel von Konarak – Puri : sechster Reisetag, 23.02.16:

Auf den heutigen Tag hatten wir uns schon alle gefreut: der Vormittag sollte uns zu einer der schönsten, bekanntesten und bedeutendsten Sehenswürdigkeiten von Odisha und ganz Indien führen: dem Sonnentempel von Konarak. Schon seit einiger Zeit UNESCO-Weltkulturerbe ist der nur teilweise erhaltene Sakralbau aus dem 13. Jh. n.Chr. dem Sonnengott Surya gewidmet. Er gehört zu den am reichsten verzierten Tempeln Asiens und isst mit vielen anderen einzigartigen Heiligtümern vergleichbar. Völlig einzigartig jedoch ist seine Gestaltung als „Ratha", als Tempelwagen.
Die an seinen Außenmauern angebrachten Reliefs, Friese und Skulpturengruppen gipfeln in 24 teilweise prachtvoll erhaltenen und verzierten steinernen Radreliefs, die zusammen mit den leider schlecht erhaltenen Pferdeskulpturen an seinem Eingang nahelegen, dass der Tempel dem Sonnenwagen des Surya nachempfunden ist.
Den Tempel ließ König Narasimha Devi in der Mitte des 13. Jh. erbauen, anlässlich seines Sieges über angreifende Muslime aus dem Westen. Angeblich schufen 1200 Künstler in zwölfjähriger Arbeit den Prunkbau, von dem man bis heute nicht weiß, ob er je vollendet wurde. Auf jeden Fall dauerte seine Nutzung nicht sehr lange.

Steinmetzkunst in Konarak

Die hervorragend erhaltene Sockelzone von Haupttempel und Vorhalle wirkt wie ein Bilderbuch und enthalt tausende Skulpturen. Einige erzählen Geschichten, stellen das tägliche Leben der Erbauungszeit dar oder zeigen Musiker, Tänzerinnen oder Mitglieder des Hofstaats. Viele sehr freizügige Darstellungen mit erotischen Motiven sind - wie die ähnlich gestalteten Reliefs der bekannteren Tempel von Khajuraho - Interpretationen des aus dem 3. nachchristlichen Jahrhundert überlieferten Erotik-Leitfadens „Kama Sutra" (=Verse des Verlangens).
Egal welche Darstellungen man sich ansieht - alle sind absolute Meisterwerke und wundervolle Zeugnisse einer vollendeten Steinmetzkunst des 13. Jh. Nahezu detailverliebt haben die Künstler dem spröden Material Stein eine unglaubliche Lebendigkeit verliehen, die bis heute jeden Betrachter entzückt. Seien es die Figuren, die Pflanzenranken, Tierdarstellungen oder bewegte Szenen, seien es figürliche Darstellungen oder die riesigen Räder, für die der Sonnentempel bekannt ist - immer überrascht die meisterliche Ausführung, die jeden Betrachter zu eigenen phantasievollen Deutungen und Assoziationen veranlasst. Die Künstler übrigens mussten zur Entlohnung ihre Leistung auf recht originelle Art abrechnen: sie wurden bezahlt, je nachdem wieviel aus dem Stein herausgeschlagenes Material sie abends vorweisen konnten - abgestuft nach Grobheit oder Feinheit der erwarteten Arbeitsvorgänge.
Wir hielten uns lange staunend an diesem wundervollen Objekt des UNESCO-Weltkulturerbes auf.

Strandleben in Puri

Gegen Mittag ging es weiter nach Puri, das wir am frühen Nachmittag erreichten. Wir checkten ein in unser luxuriöses Hans Hotel, fast direkt am Strand und versehen mit komfortablen Zimmern und einer hübschen Pool-Anlage. Heute Nachmittag hatten wir Freizeit - Gelegenheit für einen Snack, zum Relaxen am Pool oder zu einem Strandspaziergang an der Bucht von Bengalen.
Ein weiteres Highlight war der täglich ab 17.00 beginnende bunte Strandmarkt unweit vom Hotel. Kurz vor Sonnenuntergang kamen zehntausende indische Touristen und Einheimische zu den hunderten bunten Ständen, an denen Muscheln, Schmuck, Souvenirs, Spielzeug und Kleidung feilgeboten wurde - eines der buntesten Bilder, die man sich vorstellen konnte!


Jagannath-Tempel - Chilika-See - Tanzvorführung: siebter Reisetag, 24.02.16:

Unser heutiger Tag begann nach dem Frühstück mit einem Besuch im Jagannath-Tempel, für den Puri berühmt ist. Für gläubige Hindus ist der Bundesstaat Odisha, das einstige Orissa, das Land des göttlichen Jagannath. Als „Herrn des Universums"sieht man ihn, eine Inkarnation - menschgewordene Wiedergeburt - des Bewahrergottes, als eine spezielle, abstrakte Form Vishnus in einer Variante der Gestalt von Gott Krishna. Hier in Puri steht sein bevorzugter Tempel, der dadurch zu einem der wichtigsten hinduistischen Pilgerzentren wurde. Ehre und besonders gutes Karma für das nächste Leben erreicht, wer diesen besonders gnadenreichen Wallfahrtsort aufsucht. Die schön an der Küste des Golfs von Bengalen gelegene Stadt Puri wird daher als „Heilige Stadt" bezeichnet und erlebt alljährlich im Sommer ein auf der ganzen Welt bekanntes Fest. „Rath Yatra" wird es genannt - mehrere Millionen Hindus sind dabei, wenn die Götterstatuen auf großen „Rathas" - Tempelwagen - in einer Prozession durch die Straßen gezogen werden.
Wie schon den Shiva-Tempel in Bhubaneswar dürfen Nicht-Hindus auch den Jagannath-Tempel in Puri nicht betreten. Unser indischer Reisebegleiter, Mr. Shankar, fand aber einen Ausweg: vom Dach der Stadtbibliothek aus konnten wir einen Teil des Tempels überblicken. Es war grandios, von oben aus das bunte Gewimmel zu beobachten, das sich durch die Türen des gewaltigen Tempels drängte. Eine Besonderheit hier war auch die genau unserem Aussichtspunkt gegenüberliegende Tempelküche mit Speisesälen, in denen täglich Zehntausende Gläubige mit „Prasad" - geheiligter bzw. gesegneter Speise - verköstigt werden. Vorschriftsmäßig in irdenen Töpfen gekocht, gibt es hier täglich „Mahaprasad" (= „großes Prasad). Es besteht aus Reis, Linsenbrei, Gemüse und Süßigkeiten und wird zuerst Jagannath als Speiseopfer angeboten. Durch dieses Ritual wird es für die Pilger von normalem Essen zum gesegneten Prasad, das man im Tempel zu sich nimmt oder für ein paar Rupien kauft und denjenigen mitnimmt, die den Tempel nicht besuchen konnten.

Chilika-See

Vom Jagannath-Heiligtum aus fuhren wir zu unserem nächsten Programmpunkt, dem Chilika-See. Indiens sowie auch ganz Asiens größte Brackwasser-Lagune liegt an der Mündung des Daya-Flusses in den Golf von Bengalen, dessen Küste von ziemlich starken Gezeiten geprägt ist. Eine etwa dreißig Kilometer lange Sandbank mit einigen durchbrechenden Kanälen verbindet Mündungssee und Meer. Ein ganz eigenes Biotop hat sich hier gebildet, zumal in Abhängigkeit von den Wassermassen - Salzwasser der Flut einerseits und unterschiedliche Mengen Süßwasser während und außerhalb der Monsunzeiten andererseits - die Durchmischung während eines Jahres mehrfach wechselt. Dutzende Fischarten und besondere Pflanzen gedeihen nur im und um den See, der zudem eines der größten indischen Rastgebiete für Zugvögel aus Sibirien und Europa ist. Bei unserem Besuch nahm der flache See, dessen Oberfläche immer durch die Gezeiten-Einwirkung oder den frischen Wind aufgewühlt ist, eine Fläche von nur etwa 600 - 700 km² ein, dehnt sich nach dem Monsun aber bis auf über 1.100 km² aus. Vom Hafenort Satpada aus unternahmen wir eine Bootsfahrt auf den See, vor allem, um Delphine zu beobachten. Hier im südlichen, dem Meer zugewandten Teil des Chilika-Sees leben über hundert der seltenen Irawadi-Delfine. Obwohl sie nach dem bedeutendsten Fluss von Myanmar benannt wurden, sind die recht scheuen Tiere keine echten Flussdelfine, sondern leben in Flussmündungen etc. im Brackwasser. Die etwas über zwei Meter langen Tiere haben nicht die typische Delfinschnauze, sondern einen rundlichen Kopf und ähneln eher den bedeutend größeren Weißwalen. Ihre Farbe ist graubraun, sie springen nicht wie andere Delfinarten und sie müssen öfter als diese zum Luftholen an die Oberfläche kommen. Tatsächlich gelang es uns, mehrfach das Auftauchen einiger Tiere zu sehen, die kurz an der Oberfläche erschienen, uns kurz ihre Rücken zeigten und dann wieder abtauchten. Unser Bootsführer kannte offenbar die Stellen, an denen sie sich aufhalten. Er fuhr uns auch an den zahlreichen Fischfangplätzen im See entlang, denn vom Fischreichtum leben viele Familien mittels Reusenfischerei. Die zahllosen aus dem Wasser ragenden Stäbe, zwischen denen Netze gespannt waren, markieren die Fischfangplätze und gewaltige, ausgedehnte Shrimps- und Krabbenzuchten. Nach unserer Bootsfahrt und einer Mittagspause am Chilika See kehrten wir nach Puri zurück.

Palmblätter und Tanz im Künstlerdorf

Allerdings machten wir noch Halt in einem ganz besonderen Künstlerdorf, dem einzigen in Ostindien, indem noch Palmblätter verziert werden. Hier lehrt der weithin bekannte Guru Maganayak die Kunst des „Pothichitra", der Palmblattillustrierung. Es war recht aufregend, der Technik zuzusehen, die seit etwa 3000 Jahren zur Anfertigung und Aufbewahrung von Schriftgut verwendet wird: der Künstler oder Inschriftenmeister ritzt mit einer Stahlfeder Buchstaben, Ornamente oder Zeichnungen - z.B. Motive aus dem Heldeneops Ramayana oder den Legenden über Gott Krishna - in ein speziell aufbereitetes, auf bestimmte Dicke und Form geschnittenes Palmblatt aus dem Stengelansatz der Lontar-Palme. Danach wird das Palmblatt mit einer Mischung aus Lampenruß, Fett und Gummibaumsaft eingerieben, anschließend wieder gereinigt. Der Ruß hat die Vertiefungen gefüllt, die Inschrift erscheint schwarz - und ist offenbar jahrhundertelang haltbar.
Anschließend beeindruckte uns eine aus kleinen Mädchen in traditionellen Kostümen bestehende Tanzgruppe mit einer extra für uns organisierten klassischen Tanz-Vorführung. Mit anmutigen Bewegungen klassischen Tanzes beginnend - die der Legende nach die Götter selbst den Menschen beigebracht haben, gipfelte die gut abgestimmte Show zu Musik auf traditionellen Instrumenten in immer neuen Tanz-Einlagen bis hin zur Akrobatik. Wir waren von der langen Vorführung, die immer wieder neue Höhepunkte bereithielt und „Hingucker" schuf, rückhaltlos begeistert. Am frühen Abend kehrten wir zu unserem Strandhotel am Rand von Puri zurück und hatten vor dem Abendessen noch einmal Gelegenheit, den bunten Strandmarkt aufzusuchen.


Puri - Pipili - Cuttack - Bhubaneswar, achter Reisetag, 25.02.16:

Heute kehrten wir von Puri nach Bhubaneswar zurück, von wo wir am frühen Abend nach Kolkata fliegen würden. Den ersten Stopp bei der Rückfahrt legten wir im Dorf Pipili ein, bekannt für seine Applikationsnäherei. Mit bunten Stoffen und ein bzw. aufgenähten winzigen Spiegeln entstehen hier vor allem Lampenschirme, die gern auch in Klöstern und Tempeln bzw. in den Wohnhäusern am oder dem Haustempel Verwendung finden oder Sonnenschirme und Taschen. Durch die vielfältigen überall an den Häusern der Dorfstraße ausgestellten Verkaufsobjekte ergibt sich ein malerisches, belebtes und buntes Bild. Wir setzten unsere Fahrt nach Cuttack fort, ehemals sogar Hauptstadt von Orissa, heute überwiegend Industriestadt. Von der einstigen Bedeutung Cuttacks zeugen noch die Überreste einer Festung, die früher große Ausmaße gehabt haben muss. Bei einem. Spaziergang durch zunächst das alte verfallene Tor und dann die Ruinen des alten Barabati-Forts, von dem außer dem Tor und den Ruinen eines Palastgebäudes kaum etwas übrigblieb, konnten wir die Blütenpracht der die Ruinen umgebenden Gartenanlagen genießen. Anschließend hatten wir noch etwas Freizeit am nahen, mitten an der Straße gelegenen Durga-Tempel und konnten hier das Kommen und Gehen beobachten. VAm Nachmittag brachte uns der Kleinbus zum modernen, erst 2013 fertiggestellten Flughafen von Bhubaneswar. Es hieß Abschied nehmen von Herrn Shankar und unserem Busfahrer, der uns sieben Tag lang sicher und tapfer durch das unglaubliche Verkehrsgewühl zweier ostindischer Bundesstaaten chauffiert hatte. Dann gingen wir zum Check in zum Inlandsflug nach Kolkata. Der Flug war pünktlich und reibungslos, und nach unserer Ankunft in Kolkata und Abholung unseres Gepäcks erwartete uns wieder ein Kleinbus. Nach einer recht langen Fahrt durch das abendliche Verkehrsgewühl der Innenstadt von Kolkata gelangten wir zum zum Hotel - demselben, in dem wir schon sechs Tage zuvor gewohnt hatten.


Kolkata - Gothkali Jetty - Bootsdahrt in die Sundarbans: neunter Reisetag, 26.02. 16:

Nach dem Frühstück brachen wir auf zur letzten Etappe unserer Reise, die uns in die Mangrovenwälder der Sundarbans führen sollte, gelegen im weitläufigen Gangesdelta. Zunächst trafen wir uns vor der Abfahrt unseres Kleinbusses in der Hotelhalle mit unserem Reiseleiter für die nächsten Tage, Herrn Tenmoi. Eine mehrstünde Fahrt zum kleinen Bootshafen, der am Rand der autofreien Sundarbans lag, wurde unterbrochen durch einen Stopp in einem hübschen Markt-Städtchen. An der „Jetty" angekommen, wurde unser Gepäck auf das Boot gebracht und wir kletterten an Bord des Gefährts, dass uns heute und die nächsten Tage durch das Gangesdelta bringen sollte. Alsbald waren wir auf dem Gomor River unterwegs. Nicht weniger als 240 Flüsse und Flüsschen münden auf die eine oder Art hier im Gangesdelta, das hauptsächlich dirch Brahmaputra, Ganges und Meghna gebildet wird. Fast so groß wie der gesamte Bundesstaat Odisha, den wir gerade gestern verlassen hatten oder knapp halb so groß wie Italien ist das gewaltige Flussdelta, von dem aber zwei Drittel zu Indiens Nachbarstaat Bangladesh gehören. An der Spitze des Deltas, der Seite, wo der Golf von Bengalen mit seinen Gezeiten einbricht, liegen die nur spärlich von Menschen bewohnten Sundarbans, die ausgedehntesten Mangrovenwälder der Erde.
Gerade noch vor Ende der Mittagszeit trafen wir im „Tigercamp" ein, einer recht komfortablen kleinen touristischen Bungalowsiedlung mitten im Dschungel der Sundarbans. Noch während wir - nach dem Check in - beim Mittagessen saßen, begann es zu regnen - und es sollte bis zum Abendessen nicht wieder aufhören. Dennoch machten wir wie versprochen am Nachmittag eine Bootsfahrt. Wir besuchten einen der vorwiegend für Touristen gestalteten Aussichtstürme, zu denen der Weg immer vergittert ist, um Besucher vor den hier lebenden Wildtieren, vor allem vor Wildschweinen, größeren Dschungel-Raubkatzen und natürlich dem König der Sundarbans, dem Tiger, zu schützen. Der Sajnekhali-Aussichtsturm lag im Regen und kein Tier ließ sich blicken! Wir trösteten uns mit einem Besuch des auf dem Gelände liegenden Mangroven-Sundarban-Erklärungszentrums, eines kleinen Museums über die Tier- und Pflanzenwelt der Mangrovenwälder und der Besonderheiten der Gegend, in der wir uns befanden. Später brachte uns das Boot zurück zu unseren Bungalows, wo wir vor dem Abendessen noch eine kleine Folkloreshow mit Musik und Tänzen aus der Region ansehen konnten.


Sundarbans: zehnter Reisetag, 27.02. 16:

Das Wetter hatte sich heute erheblich gebessert, die Sonne schien und nach der gestrigen Nachmittagskühle mit Regen und Wind versprach es, ein warmer Tag mit viel Sonne und einer leichten Brise zu werden. Nach der morgendlichen Dusche schon brachen wir heute recht früh auf zu einem ereignisreichen Tag innerhalb der Mangrovenwälder. zu verschiedenen Inseln und Beobachtungstürmen. Frühstück und Mittagessen nahmen wir auf dem Boot ein, denn es ist das einzige Verkehrsmittel, mit dem man sich hier bewegen kann. Die Landschaft, die seit 1997 auf der Liste des UNESCO-Weltnaturerbes steht, erstreckt sich über mehr als 10.000 km² im Monsun-Überschwemmungsgebiet der großen Flüsse, die im Himalaya entspringen, an ihrer Mündung in den Golf von Bengalen, der ihren einfließenden Wassermassen starke Gezeiten mit hohen Wasserstands-Unterschieden zwischen Ebbe und Flut entgegensetzt. Auch hiervon gehören knapp zwei Drittel zu Bangladesh und gut ein Drittel zu Indien, also ein Gebiet von etwa der fünffachen Fläche der Insel Rügen.

Tierwelt der Sundarbans

Hunderte nur hier vorkommender Pflanzen und Tierarten, vor allem Vögel, leben auf den durch die zahllosen Flüsse und Kanäle gebildeten Inseln. Warane und Krokodile sind auf den Schlämmbänken, die etwa zweimal am Tag von der Flut überspielt werden, zu Hause, Hirsche und Wildschweine zeigen sich auf den höhergelegenen Sumpfwiesen und Buschflächen und große Wildkatzen gehen in den dichteren Waldgebieten auf Beutesuche. Am bekanntesten aber sind die Sundarbans, besonders der als Nationalpark ausgewiesene Teil, den man nur in Begleitung eines Forst-Rangers betreten bzw. befahren darf, in ihrer Eigenschaft als Tiger-Reservat. 103 dieser Großkatzen leben hier aktuell nach Erhebungen und Aussagen der Forstverwaltung. Um es vorwegzunehmen: leider war es uns nicht vergönnt, einen zu Gesicht bekommen, aber wir haben mit Erstaunen einigen der Erzählungen des uns begleitenden Rangers gelauscht. Um Besucher der Sundarbans zu schützen, sind alle Wege, die man betreten kann, meist in der Nähe von Rasthäusern oder Beobachtungstürmen sowie alle Rundwege, die öffentlich für Touristen zugänglich sind, mit starkem Maschendraht eingezäunt - man geht wie in einem Käfig. Die Bewohner der wenigen Dörfer am Rande der Sundarbans leben in steter Angst vor nächtlichen „Besuchen" von Tigern, die sich mitunter Ziegen, Schafe oder Kühe als Beute holen. Obwohl man Katzen ganz allgemein als wasserscheu vermutet, sind die Raubkatzen und Tiger der Sundarbans wie alle anderen tirischen Bewohner an Wasser, Schlamm und Gezeitenwechsel gewöhnt - wir erfuhren, dass Tiger bei der Beutesuche oft von Insel zu Insel wechseln und dabei Kanäle und Flüsse überqueren - bis 10 km weit könne ein Bengaltiger schwimmen ... Trotz aller Vorsicht fallen immer wieder Dorfbewohner Tigerattacken zum Opfer oder Frauen werden beim Wasserholen von Krokodilen angegriffen. Dennoch sieht man Tiger recht selten - in unserem Hotel war an der Rezeption auf einer Tafel als letztes Datum einer bestätigten Sichtung ein Dezembertag kurz vor Weihnachten 2015 vermerkt...

Schlammbänke und Stelzwurzeln

Das Besondere an der unglaublichen Landschaft der Sundarbans und eine der interessantesten Beobachtungen für uns war die Tatsache, dass die Landschaft hier ihr Gesicht in Abhängigkeit von Ebbe und Flut nahezu stündlich ändert. Liegen die Schlammbänke bei Wassertiefstand meterhoch frei und man hat den Blick auf die hohen Stelzwurzeln und die Spitzen der Luftwurzeln der Büsche und Bäume, scheint bei Flut jede Pflanze komplett im Wasser zu stehen und alle Schlammbänke sind verschwunden. Die gegen die Ufer anrennenden Flutwellen brechen überall Stücke aus der Böschung heraus, lassen Bäume trotz riesiger Wurzelballen in den Fluss stürzen oder spülen sie frei. Oft sieht man vertrocknete Bäume, die im Überlebenskampf nicht mehr genug Sauerstoff aus der dichten, sauerstoffarmen Schlamm-Umgebung ziehen konnten. Mehrere Spaziergänge zu Aussichts- und Beobachtungstürmen gewährten uns zwar einen Panoramablick auf Bäume, Schlammlichtungen und Wasserstellen (alle Wege waren zum Schutz gegen wilde Tiere eingezäunt), aber alle Tiere, die wir sahen, beobachteten wir vom Boot aus an den Kanalrändern. Der beeindruckende Landschaftswechsel führte uns rund um viele der kleinen und größeren Inseln, über einige Kanäle und Flüsse sowie über den Matla-See, in dem sich die Wasser der ggrößeren Flüsse mit dem der Bengalsee, also einem Teil des Indischen Ozeans vereinen. An diesem Tag, an dem wir unser Mittagessen auf dem Boot einnahmen, erlebten wir Ebbe, Flut und wieder Ebbe und konnten neben zahlreichen Vögeln, Reihern und den hier zahlreich vertretenen Eisvogel-Arten auch Krokodile, Warane, einmal ein Wildschwein und mehrfach Hirsche beobachten. Am frühen Abend kehrten wir zu Abendessen und Übernachtung in unsere Bungalows im Tigercamp zurück.


Dayakpur - Kolkata - Heimflug: elfter und zwölfter Reisetag, 28./29.02.16:

Das nahegelegene Sundarban-Dorf Dayakpur erkundeten wir heute noch nach dem Frühstück bei einem Spaziergang. Wir sahen die Hütten der Dorfbewohner, errichtet aus Stämmen, Zweigen und lehmartigem Fluss-Schlamm. Knüppelhart wird er nach dem Trocknen, muss aber mit weit überhängenden Schilf- oder Strohdächern geschützt werden, damit die Häuser beim starken Monsunregen nicht wieder aufweichen - was dennoch in manchen Jahren geschieht. Relativ klein sind die durch Hausdächer geschützten und mit getrocknetem, glattgestrichenen Lehm gepflasterten Vorplätze der Häuser, auf denen sich der Hauptteil des Lebens der Familie, inklusive des Kochens und Essens abspielt, und klein und durch Bambusstreben geschützt die Fenster und Türöffnungen.
Die Dörfler bauen Reis an, in bescheidenem Umfang Kartoffeln und Gemüse, die Männer fahren in schmalen Booten zum Fischfang und viele der stets in bunte Saris gekleideten Frauen verdienen einen mehr als bescheidenen Obolus hinzu, indem sie stundenlang durchs flache Wasser der Schlammbänke wandern und große Schleppnetze hinter sich herziehen, um Krabben und Shrimps zu fangen. Selbst bei guter Ausbeute bleibt der Tagesverdienst meist unter dem Gegenwert von einem Euro...
Nach dem Spaziergang durch das Sundarban-Dorf kehrten wir zum Hotel, unser Gepäck wurde zur Anlegestelle gebracht und auf's Boot verladen und zurück ging die Fahrt, während der wir unser Mittagessen an Bord einnahmen, zurück zum Hafenort Gothkali, wo unser Bus auf uns wartete.

Gangesdelta

Zwischendurch wurde es noch einmal dramatisch, als an beiden Ufern plötzlich viele buntgekleidete Dorfbewohner zusammenströmten und aufgeregt in die Flussmitte zeigten. Nicht weit von unserem Boot schwamm ein gewaltiges Krokodil, dessen gezackter Rückenpanzer deutlich durch die schlammigen Fluten zog. In Gothkali gab es erneutes Gepäckumladen in unseren Kleinbus und unversehens befanden wir uns auf der Rückfahrt zum Kolkata-Airport. Hier verabschiedeten wir uns von unserem Reiseleiter der letzten Tage und konnten nach kurzem Warten zum Emirates Flug über Dubai nach Frankfurt einchecken. Mit nur ganz leichter Verspätung, aber ausreichend Zeit für den Umstieg erreichten wir Dubai und flogen dann für den Rest der Nacht in Richtung Deutschland. Überpünktlich waren wir dann in Frankfurt, wo wir nach Passkontrolle und Gepäckabholung den „Zug vom Flug" bestiegen und den Rest unserer Reise zum Ausgangsort antraten.


EPILOG

Dass das Reiseziel etwas ungewöhnlich war und sich in dieser Form kaum irgendwo so im Angebot befindet - das wussten wir vorher. Dass man hier, im Osten Indiens - in Westbengalen und Odisha - vom Massentourismus völlig unberührte Gegenden mit freundlichen Menschen, sagenhaften Traditionen und unglaublich reichhaltiger Kultur vorfindet - das durften wir erfahren. Es lohnt sich, genau das weiter zu erzählen, neugierig zu machen auf die unberührte Landschaft der Sundarbans, das unglaublich lebendige Alltagsleben, an dem man einfach so teilnehmen kann, aber auch auf die mystischen Erlebnisse und Beobachtungen in den wundervollen Tempeln und Klöstern oder das Staunen beim Betrachten von Meisterwerken wie der Skulpturen und Friese am Sonnentempel oder der verzierten Tempeltürme von Bhubaneswar. Alles an dieser Reise atmete Exotik, Geschichte, Kultur, besondere Natur und Landschaft und - Leben!
Kommen Sie doch wieder mit - Wir werden dieses aufregende Reiseziel gewiss beibehalten!
Ihr Studienreiseleiter
Dr.Michael Krause

Bildergalerie zur Reise

Kommentare zum Reisebericht

Ein hervorragender Bericht,der mehr Inhalte bietet als der Reiseführer Indien.Uns hat er so gut gefallen wie die ganze tolle Reise nach Ost-Indien.
Wir haben Bericht und Reise schon an Bekannte empfohlen.

Steinborn
11.03.2016